Beginnen wir die Geschichte bereits einen Tag vor dem Lauf. Im Sportcenter Donaucity wurde vom Veranstalter von 17:00 - 19:00 Uhr zur Kaiserschmarrenparty geladen. Eine nette Geste, wie ich finde. Im Raum, in dem die Veranstaltung stattfand, herrschte bereits eine fröhliche Atmosphäre. Es war ein schönes Gefühl unter seinesgleichen zu sein.
Samstag in der Früh läutete um 05:30 Uhr mein Wecker. Ich habe mir extra etwas mehr Zeit eingeplant um noch trödeln zu können. Den Rucksack habe ich bereits am Vorabend gepackt. Um 07:00 Uhr habe ich mich auf den Weg Richtung Sportcenter gemacht.
Nachdem ich „eingecheckt“ hatte, dauerte es noch ungefähr 40 Minuten bis zum Start. Minuten, die sich wie im Wartezimmer beim Zahnarzt anfühlten. Obwohl ich mich gut auf den Lauf vorbereitet hatte, gab es in den letzten Tagen und Wochen ein paar Rückschläge. Aber jetzt gab es so und so kein Zurück mehr und ich wollte nur noch hinaus auf die Strecke.
Um 08:30 Uhr fiel der Startschuss zu „Highway to hell“ und es ging hinaus Richtung Neue Donau. Ich hatte das Gefühl, dass die LäuferInnen ein sehr hohes Anfangstempo gewählt hatten. Um mich nicht mitreißen zu lassen, bin ich zum Schluss gestartet. Mein Plan war es, eine gemütliche „6er-Pace“ bis zum ersten Anstieg im Kahlenbergerdorf zu laufen.
Den Anstieg zum Leopoldsberg bin ich hinaufgegangen. Ich hätte ihn auch im Laufschritt absolvieren können. Nur bei einem Lauf mit 88 Kilometern und knapp 1500 Höhenmetern galt es die Kräfte mehr als gut einzuteilen. Entspannt ging es weiter durch den Wienerwald Richtung Hameau und von dort bergab in den Schwarzenbergpark. Da ich in dieser Gegend oft laufe, hatte ich einen gewissen „Heimvorteil“. In der Schwarzenbergallee war eine von drei Versorgungsstationen. Da ich selbst sehr viel zu essen mit hatte, füllte ich nur meine Wasservorräte auf. Danach ging es weiter Richtung Schottenhof - Kreuzeichenwiese - Feuerwehr Steinhof und über die Steinhofgründe hinunter nach Hütteldorf. Mittlerweile hatte sich das Teilnehmerfeld schon etwas in die Länge gezogen. Die StaffelläuferInnen des ersten Abschnittes hatten beim Bahnhof ihren Part für den WRU 2021 bereits erledigt. Mir standen noch weitere 55 Kilometer bevor.
Von Hütteldorf ging es weiter entlang dem „RULT“ (Rund um den Lainzer Tiergarten) Richtung Liesing, wo mich Gabi, Sarah und mein Vater erwarteten. Ich kannte diesen Weg nur schemenhaft, da ich ihn vor ein paar Jahren einmal gelaufen war. Allerdings war mir der Anstieg zum Dreihufeisenberg nicht so steil in Erinnerung. Zum ersten Mal seit dem Start bereute ich, dass ich meine Stecken nicht dabei hatte. Und so mühte ich mich Meter für Meter den Weg hinauf. Als ich nach 40 gelaufenen ,Kilometern endlich den „Gipfel“ erreicht hatte, begann mein Magen leicht zu krampfen. Es war ja nicht so, dass das Laufen alleine nicht schon herausfordernd genug gewesen wäre …
Beim Gütenbachtor befand sich die zweite Versorgungsstation. Ich habe ein paar Orangen und ein Nutellabrot gegessen. Das hat neue Energie verliehen. Allerdings hatte ich noch mit den Anstrengungen vom letzten „Berg“ zu kämpfen.
Als ich beim Bahnhof Liesing ankam, nahmen mich Gabi und Sarah in Empfang. Ich trank ein paar Schluck klare Suppe und Cola, ruhte mich kurz aus und danach ging es in Begleitung meines Vaters weiter um die letzten 35 Kilometer in Angriff zu nehmen.
Obwohl ich froh war, nun nicht mehr alleine unterwegs zu sein, war der Flow der letzten Stunden nicht mehr derselbe. Ich musste immer wieder Gehpausen einlegen und fühlte mich einfach nur erledigt. War das vielleicht der Mann mit dem Hammer, der bei so einem langen Lauf gnädigerweise erst nach dem Marathon auftaucht? Schwer zu sagen. Aber von mir aus hätte er auch ganz zu Hause bleiben können.
Irgendwann passierten wir Kilometer 60. Zu diesem Zeitpunkt war mir nicht ganz klar, wie ich noch knapp 30 Kilometer weiterlaufen sollte. Irgendwo im 10. Wiener Gemeindebezirk nahm ich in einen „Cola Liquid Boost“ (dünnflüssiges Gel) zu mir. Mehr als nichts nutzen konnte es nicht. Ein paar Kilometer weiter legte ich mich sogar für ca. zwei Minuten in die Wiese. Noch gab es Sonne. Die Kombination aus der warmen Sonne und einer gänzlich anderen Position taten in diesem Moment richtig gut. Es hätte nicht viel gefehlt und ich hätte dort auf der Stelle einschlafen können.
War es die Kombination? Oder war es der Glaube an mich selbst bzw. der Wille diesen Lauf zu Ende zu bringen? Ich kann es nicht sagen. Aber nach und nach kam ich wieder in einen Flow. Auf den Feldern oberhalb vom Zentralverschiebebahnhof Kledering wehte ein irrsinnig starker Wind. Aber mein Kopf war wieder im Wettkampfmodus. Und so ging es weiter Richtung Zentralfriedhof, wo sich die dritte und letzte Versorgungsstation befand. Ich stärkte mich dort noch einmal mit Cola, Suppe und einem Aufstrichbrot. Da es bereits fast dunkel war, wurde es ziemlich schnell kalt. Gut für mich, somit war ich motiviert weiterzulaufen. Allerdings brauchte ich erstmal 400 Meter Anlaufphase um wieder in meinen Trott zu kommen. Die Pause hatte meinen Beinen wohl etwas zu gut gefallen …
Beim Kraftwerk Freudenau bereiteten wir alles für die finalen Kilometer Richtung Ziel vor. Ich setzte meine Stirnlampe auf und montierte meine Musikbox am Fahrrad meines Vaters. So ging es mit lauter Musik und bester Laune durch die stockdunkle Nacht Richtung Sportcenter. Zu den Klängen des deutschen Rappers Haftbefehl ging es die letzten Meter durch das Sportcenter, wo bereits Gabi und Sarah auf uns warteten. Nach ca. 11 Stunden und 25 Minuten lief ich von Applaus begleitet durch den Zielbereich in der Sporthalle.
Die erste Frage der Dame, die mir den GPS-Tracker abnahm, war: „Wie war es?“ Meine etwas dämliche Antwort: „Anstrengend … !“
Ich möchte mich an dieser Stelle noch bei allen HelferInnen und SupporteInnen der WRU-Crew bedanken. Die HelferInnen bei den Versorgungsstationen waren besonders bei der zweiten und dritten Station nicht nur eine willkommene Abwechslung, sondern auch immer ein kleiner Lichtblick.
Dank möchte ich auch meinem Vater aussprechen, der mich am Fahrrad von Liesing bis ins Ziel begleitet hat. Besonders bedanken möchte ich mich bei meiner Frau, die mir den Freiraum gibt um solch ein Projekt in die Tat umzusetzen und mich auch gestern, gemeinsam mit meiner Tochter, während des Laufs betreute und im Ziel in Empfang genommen hatte.
DANKE